Erziehung

In der klassischen Definition beschreibt Wolfgang Brezinka Erziehung wie folgt:

Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Disposition anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern und seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten (Brezinka, 1990, S. 95)

Diese allgemein gehaltene Definition ist nicht unproblematisch und umstritten. Sie überlässt es dem Erziehenden, welche Eigenschaften er für gut und damit förderungswürdig erachtet, welche er andererseits als schlecht und damit der Unterdrückung bedürfend ansieht. Doch gerade in dieser Ungenauigkeit wird die Problematik dessen erkennbar, was erzieherisches Handeln bewirken kann. Es war in der Vergangenheit, wie auch heutzutage, nicht immer so, dass Erziehung mit dem Ziel geschah, den Menschen zu veredeln und zu sittlicher Perfektion zu bringen. Oftmals geschah Erziehung in der Absicht, Menschen zu unterwerfen, sie in ein System einzupassen und in irgendeiner Weise nutzbar zu machen. Der Begriff der Erziehung ist nicht vollständig klar definiert. Es existieren zahllose Definitionen nebeneinander. Zur Beschreibung von Erziehung werden oftmals Bilder genutzt. Durch das Ausweichen auf die metaphorische Ebene wird deutlich, wie schwer es der Pädagogik fällt, den Begriff Erziehung scharf zu umreißen. Friedrich W. Kron nennt im Jahr 2009 sechs Bilder zur Umschreibung der Erziehung. Ziehen, Führen, Regieren, Wachsenlassen, Anpassen, Helfen sind diese (Kron, 2009, S. 153ff).
Aus Brezinkas Definition lassen sich die zwei Grundverständnisse von Erziehung herleiten, auf die alle Bilder von Erziehung zurückgeführt werden können:

Erziehung als ein herstellendes Machen, analog zur handwerklichen Produktion eines Gegenstandes, der Erzieher gleicht dem Handwerker, der einen angestrebten Zweck mit Hilfe bestimmter Mittel und Methoden handelnd anstrebt (Technizismus)

Das Kind entfaltet sich auf eine mehr oder weniger natürliche Art selbst, analog zum organischen Wachstum, wie eine Pflanze, Erziehen heißt hier begleitendes Wachsenlassen. Der Erzieher gleicht dem Gärtner (oder Bauern), der pflegend und schützend bei einem Entwicklungsprozess hilft, der-als ein natürlicher-von selbst geschieht (Naturalismus) (Gudjons, 2008, S. 184)

Diese beiden Bilder sind in unterschiedlicher Gewichtung prägend für die Geschichte des Erziehungsbegriffes.
Die moderne Pädagogik muss sich hinsichtlich dieser beiden Paradigmen auch mit den Ergebnissen der Hirnforschung auseinandersetzen. Diese liefern Erkenntnisse sowohl hinsichtlich der Anlagen, mit denen der Einzelne ausgestattet ist, als Grundlage dessen, was durch Erziehung geformt werden kann, als auch in Hinblick auf die Möglichkeiten und Grenzen der Entfaltung. Mag es auch eine unzulässige Verkürzung sein, den Menschen allein unter dem Blickwinkel seiner Gehirnaktivität zu betrachten, so sind doch die Hinweise, die die Hirnforschung bezüglich der Gestaltung von Prozessen der Erziehung liefert, nicht unerheblich. Mit den Konsequenzen, die sich aus den Neurowissenschaften für moderne Erziehung ergeben, beschäftigen sich ausführlich Michael Posner und Mary K. Rothbart (Posner & Rothbart, 2006). Ausdrücklich fordern sie eine Anpassung der Methoden der Erziehung an die Erkenntnisse der Naturwissenschaft.

Unter dem Eindruck des Missbrauchs von Erziehung in der Vergangenheit wird die Forderung Menschen zu erziehen, heute häufig ausgesprochen kritisch bewertet.

Dass der Mensch jedoch auch heute der Erziehung bedarf, um seinen Platz sowohl im eigenen Leben als auch in der Gesellschaft einnehmen zu können, betont Klaus Prange in seinem Plädoyer für Erziehung (Prange, 2000, S. 7). Allerdings besitzt eine Online-Lernplattform, wie im Beispiel für die eBay-Verkäufer, keine erzieherische Bedeutung. Die Plattform soll nicht erziehen, sondern Wissen vermitteln. Trotz der gegebenen Aufgabe Bildung von Wissen ist es wichtig, Kenntnisse über Erziehung zu besitzen, da durch die Informationen sichergestellt werden kann, dass keine erzieherischen Werte übermittelt werden.