Kritik an modularem Wiederverwenden von Lerninhalt

Die modulare Wiederverwendbarkeit von Lerninhalt erspart erheblichen Aufwand bei der Erstellung von Lerneinheiten. Allerdings kritisieren Pädagogen, dass die Zweckmäßigkeit für die Didaktik zu gering ist (Niegemann, Aslanski, Deimann, Hessel, Hochscheid-Mauel, & Kreuzberger, 2004, S. 257f). Es werden zwei kritische Befürchtungen geäußert. Die Befürchtungen sind der Rückfall in das behavioristische computergestützte Lernen (Stumpp, 2003, S. 149f), welches ausschließlich dem Auswendiglernen dient und die Entstehung von schnellem Lernen ohne kognitiven Hintergrund.

Der Rückfall in den Behaviorismus ist durch die Tatsache gegeben, dass die Lernobjekte kontextneutral erzeugt werden, und didaktisch sinnvolle Lernzusammensetzungen dieser nicht im Zusammenhang mit einer Lerntheorie stehen. Genauer werden die einzelnen Lernobjekte zusammengesetzt und verschiedene Lerntheorien überschneiden sich. Daraus ergibt sich ein negativ wirkendes Lernumfeld. Die Standardisierungsbemühungen der Gremien zielen hauptsächlich auf die Lerninhalte ab, wobei die pädagogischen Aspekte neutral behandelt werden. Das ist auch an den Metadaten zu erkennen, welche keine Zuordnung zu Lerntheorien erlauben. Dieses Problem besteht besonders, beim halb- und vollautomatisierten Zusammensetzen der Lerninhalte, da bei der manuellen Wahl des Lerninhalts auf lerntheoretische Aspekte geachtet werden kann (Stumpp, 2003, S. 149f).

Der zweite Kritikpunkt wird in der Fachliteratur als „Fast Food Lernen“ bezeichnet. Die Wortschöpfung beschreibt den Trend der Nutzer ausschließlich die LOs zu betrachten, die genau die Wissenslücke schließen, die vorhanden ist. Diese kleine Bildungseinheit dient dem Ausbessern der Lücke, da aber der Zusammenhang zum Gesamtkontext fehlt, wirkt die Verknüpfung des neuen Wissens mit alten kognitiven Gebilden nur minimal und die Speicherung im Langzeitgedächtnis ist gleichermaßen eingeschränkt. (Baumgartner, Häfele, & Maier-Häfele, 2002, S. 284).

Die beiden kritisierten Probleme der modularen Wiederverwendung sind unbestreitbar zu erkennen. Bei der Entwicklung von Lernumgebungen und Lernobjekten ist durch ein didaktisches Konzept diesen Trends entgegenzuwirken. Das erste Problemfeld kann durch eine Erweiterung der Metadaten vermindert werden. Durch eine konkrete Zuordnung zu den Lerntheorien innerhalb der Metadaten ist es möglich, die Zusammenstellung zu verbessern und passende Lernobjekte zu verbinden. Erste Ansätze zur Entwicklung dieser Erweiterungen sind, in der Fachliteratur und Praxis, bereits zu erkennen.

David Merrill beschreibt ein Modell von vier abstrakten Ebenen, durch die der Lerninhalt zugeordnet werden kann. In der obersten Schicht befindet sich die Information über die verwendete Lerntheorie. Die zweite Ebene beschreibt die verwendeten Lernprinzipien und die Dritte konkretisiert die Kommunikationstheorien und verwendeten Lehrmodelle. In der untersten Schicht befinden sich Informationen über den eigentlichen Lerninhalt (Merrill, 2001). Die Nutzung dieses Modells ermöglicht eine konkrete Zusammenstellung der Lernobjekte nach Lerntheorien und -prinzipien. Daher ist es möglich, dem beschriebenen Problem des Rückfalls entgegenzuwirken. In der aktuellen Version von LOM wird ausschließlich die vierte Schicht des Modells, durch die Metatags beschrieben. Daher ist ein Handlungsbedarf in dieser Richtung notwendig. Eine Basis für die pädagogische Einordnung der Lernobjekte ist im Standard LOM bereits gegeben. Im Kriterium 5.Eductional ist die Angabe von pädagogischen Metadaten möglich. Es ist u.a. machbar Lernziele, Schwierigkeitsgrad und die Zielgruppe anzugeben. Eine Einordnung nach Lerntheorien und -prinzipien ist dagegen nicht durchführbar (IEEE LTSC 1484.12.1, 2002, S. 22ff). Eine Erweiterung LOMs in diesem Punkt wäre sinnvoll.

Dem Problem des „Fast-Food-Lernens“ entgegenzuwirken ist schwierig, da der Lernende die Wahl hat, was er lernen will. Möglichkeiten, die Auswirkungen der Problematik zu verringern sind gegeben. Empfehlungen von Lerninhalten, die anhand dessen Fähigkeiten und seinem gelernten Wissen gewählt werden, können dem Lernenden gezielt angeboten werden. Wenn der Bezug zu dem vorher gelernten Inhalten gegeben und der Lernende durch die Relevanz interessiert ist, erhöht sich die Chance, dass dieser Lernstoff ebenfalls gelernt wird. Damit wird die kognitive Verknüpfung verstärkt und der Lernerfolg erhöht. Die Wahl, ob der Lernende den Lerninhalt lernen will, bleibt ihm weiterhin gegeben, er wird jedoch positiv beeinflusst. Die Empfehlungen können durch Profiling individualisiert werden, ähnlich der Amazon-Personalisierung .

Durch Lernerfolgskontrollen, die sich auf das Thema im Gesamtkontext beziehen, wird der Lernende zusätzlich gefordert weiteren Lerninhalt zu absolvieren. Somit haben die Kontrollen, neben dem Effekt der weiteren menschlichen Kognition durch Wiederholung der Inhalte, einen zusätzlichen positiven Einfluss beim Lernen. Der Lernende wird, da er die Lernerfolgskontrollen bestehen will und dafür weiteres Wissen benötigt, animiert weiteren Lerninhalt zu betrachten.